Situation der Ozeane

Überfischung, Geisternetze und Beifang

Fische im Netz

Überfischung

Einst lebendige und reiche Meeresökosysteme sehen sich heute den zerstörerischen Effekten der Überfischung ausgesetzt. Mehrere Fischarten sind heute schon ökologisch ausgestorben, das heißt am Rand ihrer biologisch notwendigen Bestandgröße. Ein ordentliches Management überfischter Arten kann jedoch wieder zu einer nachhaltigen Nutzung der Fischerträge führen.

Überfischung entsteht, wenn die Fischbestände schneller gefangen werden als sie Nachkommen erzeugen können. Für viele Meeresforscher gilt die Überfischung heute als das dringlichste Problem in den Ozeanen. Denn mit der Überfischung der Fischbestände gerät das gesamte Ökosystem in Mitleidenschaft und wird insgesamt anfälliger für Verschmutzung und menschliche Einflüsse, wie eine Studie des Wissenschaftsmagazins Science herausfand.

Die Anzeichen für überfischte Bestände sind vielfältig. Viele Großfische sind im Meer nicht mehr zu finden, die Größe der gefangenen Fische nimmt stetig ab. In der Folge werden heute zu viel Fische vor der Geschlechtsreife gefangen - ein Teufelskreislauf.

Durch die Überfischung verringern sich auch die Bestände an Meeresvögeln und Meeressäugern, denen die Nahrungsgrundlage entzogen wird. Für viele Fischer ist der Fischfang eine existenzielle Lebensgrundlage. Und doch wird ihnen oftmals das Ziel vorgesteckt, die Fischpopulationen maximal auszunutzen. Dieses "fishing down" der Populationen auf die Hälfte der Ausgangsgröße gilt bei Fischereimanagern als verträglich. Aber sie ignorieren dabei die Rolle der Fische im gesamten Nahrungsnetz der Ozeane.

Die Liste der überfischten Arten ist lang und viele Fischpopulationen in den Gewässern der Europäischen Union stehen kurz vor dem Kollaps. Auf der letzten EU-Tagung setzen nicht nur die Wissenschaftler des ICES (International Comission for the Exploration of the Seas), sondern auch die Politiker mehrerer Länder vergeblich für den Schutz z. B. der Kabeljau-Bestände ein. Eine Bestandserholung vieler Arten ist nach wie vor nicht gegeben, da wirtschaftliche Interessen vorgezogen werden. Die sofortige Reduzierung der Fangquoten weltweit ist für viele Fischarten eine Frage des Überlebens.

Die Fischereigremien sind aufgefordert, ein nachhaltiges Fischereimanagement durch die Forschung voranzutreiben und dazu die entsprechende Gesetze zu implementieren. Außerdem müssen dringend fischereifreie Zonen eingeplant werden, in denen sich die Arten zurückziehen können. Bei der Meeresnutzung sollte das Meer nach dem "precautionary principle“, dem vorbeugenden Prinzip der Nachhaltigkeit behandelt werden: solange wenig über die Fischbestände und Fischbiologie bekannt ist, sollte nur schonend genutzt werden. Dies betrifft insbesondere die zunehmende Tiefseefischerei an den untermeerischen Bergkuppen. Mehr als zwei Drittel der Fischbestände sind heute noch unzulänglich bekannt.

Geisternetze

Zu Tausenden sterben jedes Jahr Delphine, Wale, Seeschildkröten und Seelöwen in kommerziellen Fischernetzen oder im Meeresmüll. Verloren gegangene Treibnetze, Langleinen und anderer Abfall wickeln sich um Flossen und andere Gliedmaßen und verursachen so Ertrinken, Infektionen oder Amputationen.

Einige Delphine, Tümmler und Wale sind besonders verletzbar. Häufig ernähren sie sich von den gleichen Fischarten, die auch die Menschen fischen, oder sie leben einfach in den fischreichen Regionen. Nur der totale Schutz der Meeressäugetiere durch die Entwicklung schonenderer Fangmethoden kann hier helfen. Und es müssen bessere Methoden gegen die Geisternetze, verloren gegangene Netze im Meer, die illegal immer noch eingesetzt werden, entwickelt werden. Die Fischer sollten in ihrem eigenen Interesse durch interne Kontrollen den rabiaten Geschäftmachern das Handwerk legen. Denn nur eine nachhaltige Nutzung sichert ihnen einen Fang.

Beifang

Unter Beifang versteht man Fische und andere Meeresorganismen, die unabsichtlich gefangen werden. Je unselektiver die verwendete Fischereiausrüstung ist, umso größer ist der Anteil des störenden Beifangs. Meeresschildkröten, Seesterne, Schwämme und Rochen werden aus den Netzen aussortiert und wieder über Bord geworfen. Auch solche Fische, die das falsche Geschlecht, die falsche Größe oder Qualität haben, werden als Beifang weggeworfen.

Für vier Kilogramm gefangenen Fisch werfen Fischer weltweit ein Kilogramm so genannten Beifang ungenutzt zurück ins Meer. Und bei manchen Fischfanggeräten, wie z. B. den Garnelenschleppnetzen, ist das Verhältnis sogar noch schlechter. Ob Meeresschildkröten oder Haifische: die kommerzielle Fischerei tötet Millionen Tiere jedes Jahr durch zu hohen Beifang.

Welche Wege führen aus diesem Dilemma? Die weltweit tätigen Fischer sollten in eigenem Interesse sich für eine Verringerung des Beifangs einsetzen. Mit dem Verschwinden der Schweinswale, Meeresschildkröten, Tiefseekorallen und anderen Arten verarmt das Meeresökosystem und verringert die Produktivität der genutzten Arten. Es gibt mittlerweile Netze, die ein Entweichen von Beifang wie Schildkröten erleichtern. Das Verbot der Treibnetze in Europäischen Gewässern sollte auf alle Ozeane übertragen werden.

Autor: Dr. Onno Groß

Dr. Onno Groß ist Meeresbiologe und 1. Vorsitzender der Meeresschutzorganisation DEEPWAVE e.V.

Überfischung der Meere